Abs.: Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht im Bundesministerium des Innern, 11014 Berlin An: Bundesverwaltungsgericht, 3. Senat, Postfach 100854, 04008 Leipzig Berlin, 17. August 2010 In der Verwaltungsstreitsache Dr. Klaus Wörle .|. Stadt Regensburg - BVerwG 3 C 42.09 - beteilige ich mich an dem Verfahren. In Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) nehme ich zur Frage, ob Anordnungen im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO auch an § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zu messen sind, wie folgt Stellung: In seinem Urteil legt das Berufungsgericht zutreffend dar, dass durch die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht mittels der Verkehrszeichen 237, 240 und 241 der (fließende) Verkehr i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO beschränkt wird. Denn der Privilegierung des Radverkehrs durch Vorhaltung eines Sonderweges sei auch stets ein Fahrbahnbenutzungsverbot für den Radverkehr immanent. Das BMVBS teilt mir in diesem Zusammenhang folgendes mit: Wollte man auch die Radwegebenutzungspflicht aus dem Anwendungsbereich des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO herausnehmen, hätte dies ähnlich der Sonderregelung für Tempo 30-Zonen und die LKW-Maut Ausweichverkehre erfolgen müssen. Der Auffassung der Revision; "dass die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht weder eine "Beschränkung" noch ein "Verbot" i. S. d. § 45 Abs. 1, Abs. 9 Satz 2 StVO darstellt, kann nicht gefolgt werden. Die Schlussfolgerung, dass unter "Verbot" nur "Verkehrsverbote" i. S. d. § 41 Abs. 2 Nr. 6 StVO fallen und mit "Beschränkung" nur "Streckenverbote" i. S. d. § 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO gemeint sind, wird nicht begründet, sondern als gegeben hingenommen. Eine Stütze findet diese Rechtsauffassung weder im Wortlaut der Vorschriften noch in der Verordnungsbegründung oder sonstigen Gesetzesmaterialien. Es ist auch nicht bekannt, dass in Rechtsprechung oder Literatur eine solche Rechtsauffassung bislang vertreten wurde. Würde man der Argumentation folgen und als Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht (und konsequenterweise auch aller anderen Anordnungen von Verkehrszeichen, die keine Verkehrsverbote oder Streckenverbote beinhalten) lediglich § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO ansehen, stellt sich unweigerlich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage vor der Einführung des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO verkehrsrechtliche Anordnungen, die weder Verkehrsverbote oder Streckenverbote darstellten, vorgenommen wurden. Der Hinweis der Revision auf § 45 Abs. 3 Satz 1 StVO hilft nicht weiter, da es sich hierbei nicht um eine Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung von Verkehrszeichen, sondern um eine reine Zuständigkeitsvorschrift handelt, die die Aufgaben der Straßenverkehrs- von derjenigen der Straßenbaubehörde abgrenzt (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 19. November 2009 -5 S 575/09- DAR 2010,152). Auch das vorgetragene Argument, es handele sich bei der Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht um kein Verbot, sondern nur um ein Gebot, das der Verkehrsführung diene, überzeugt nicht. Letztlich spielt es für die Anwendbarkeit des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO keine Rolle, ob das Verbot ausdrücklich im Verordnungstext als Verbot formuliert ist oder ob es sich als Reflex eines Gebotes ergibt. Ergänzend weise ich auf Folgendes hin: 1. Die Ausführungen der Revision zur Rechtslage nach Inkrafttreten der 46. Verordnung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BGBl. 2009 Teil 1, S. 2631) sind überholt, da die 46. Verordnung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften aufgrund folgender zweier Verstöße gegen das Zitiergebot (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG) insgesamt nichtig ist. Die in Artikel 1 der Änderungsverordnung vorgenommene Klarstellung zu den Zeichen 270.1 und 270.2 der StVO wurde auf die falsche Ermächtigungsgrundlage zur Kennzeichnung von Verboten für den Kraftfahrzeugverkehr in den nach § 40 des Bundesimmissionsschutzgesetzes festgelegten Gebieten nach Bekanntgabe austauscharmer Wetterlagen gestützt (§ 6 Abs. 1 Nr. 5b StVG). Für die Änderung der Anlage zur Fahrerlaubnis-Verordnung in Artikel 3 der Änderungsverordnung wurde keine Ermächtigungsgrundlage genannt; es hätte § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe m StVG genannt werden müssen. Diese Auffassung wird vom BMVBS und vom BMI geteilt. Es gilt daher weiter die StVO in der Fassung vor dem 1. September 2009. 2. Nicht nichtig ist dagegen die parallel im Bundesanzeiger 2009, Nr. 110a, veröffentlichte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO), die zum großen Teil auf den Änderungen der 46. Verordnung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften aufbaut. Die VwV-StVO geht z.B. in Nummer IU (Rn 4) zu Zeichen 274 davon aus, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften in der Regel zu begrenzen ist, wo Radfahrer im Längsverkehr in besonderer Weise gefährdet sind. Dies dürfte infolge der hohen Differenzgeschwindigkeiten bei Zusammentreffen des Radverkehrs mit dem Kfz-Verkehr auf der Fahrbahn in der Regel der Fall sein, so dass im Umkehrschluss von einer Trennung dieser Fahrzeugarten außerhalb geschlossener Ortschaften bei Strecken ohne Tempolimit auszugehen sein dürfte. Dies ist ein Anhaltspunkt dafür, dass die Verfasser der VwV-StVO (Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates) davon ausgegangen sind, dass hier aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeiten auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO in der Regel vorliegen; Vergleichbares gilt nach der VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 Satz 2 (Rn. 9) in der Regel auch für Vorfahrtstraßen mit starkem Kfz-Verkehr innerorts. 3. Eine Bundesstraße ist für den Fernverkehr gewidmet und zeichnet sich deshalb regelmäßig durch relativ hohe Geschwindigkeiten und einen entsprechenden Schwerverkehrsanteil aus. Der Baulastträger, im Falle einer Bundesstraße also im Regelfall der Bund, ausnahmsweise die Kommunen, ist verpflichtet, für alle Verkehrsteilnehmer, auch für die Radfahrer, eine verkehrssichere Straße zur Verfügung zu stellen (Verkehrssicherungspflicht). Ist eine sichere Führung des Radverkehrs auf der Fahrbahn nicht gewährleistet, muss daher entlang der Bundesstraße aus Straßenbaumitteln des Bundes ein Radweg gebaut werden. Eine Trennung der Verkehrsarten lässt sich in diesen Fällen nur durch Anordnung der Benutzungspflicht rechtssicher gewährleisten. 4. Ein Ziel der 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften war es, den Radverkehr zu fördern (Begründung Verkehrsblatt 2009, S. 592). Benutzungspflichtige Radverkehrsanlagen sollten dabei nur angeordnet werden, wo es die Verkehrssicherheit oder der Verkehrsablauf tatsächlich erfordern. Diese Begründung weist auf einen Rückgriff des Gesetzgebers bei seiner Begründung auf § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO hin. Dies gilt bezüglich der Anordnung sämtlicher Radverkehrsanlagen. Es gibt daher Bestrebungen, die Ausnahmetatbestände in § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zumindest um Schutzstreifen (einige Länder tendieren zu Radverkehrsführungen allgemein) zu ergänzen. 5. Hinzuweisen ist abschließend auf den geänderten Wortlaut zu Zeichen 237. Vor der 46. Änderungsverordnung bedeutete das Zeichen: Radfahrer müssen den für sie bestimmten Sonderweg benutzen. Andere Verkehrsteilnehmer dürfen ihn nicht benutzen. Die 46. Änderungsverordnung änderte den Text in folgendes Ge, oder Verbot: Radfahrer dürfen nicht die Fahrbahn, sondern müssen den Radweg benutzen (Radwegebenutzungspflicht). Der Begründung des Verordnungsgebers ist dazu keine materielle Änderung zu entnehmen. Vielmehr heißt es: Sprachliche Anpassung der Bildunterschriften an den Verwendungszweck (Kennzeichnung von Sonderwegen). Im Auftrag ---xxx--- Beglaubigt: (elektronisch signiert)