Abs.: Landesanwaltschaft Bayern, Postfach 340148, 80098 München An: Bundesverwaltungsgericht, Postfach 100854, 04008 Leipzig BVerwG 3 C 42.09 München, 20.01.2010 Verwaltungsstreitsache (Revision) Dr. Klaus Wörle gegen Stadt Regensburg wegen Radwegbenutzungspflicht Beteiligt als Völ: Landesanwaltschaft Bayern Revisionsführer: Beklagte und VöI Bezug nehmend auf die mit Schriftsatz vom 19.11.2009 gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11.08.2009, Az. 11 B 08.186, eingelegte Revision stellen wir den Antrag: 1. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11.08.2009, Az. 11 B 08.186, wird geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 28.11.2005, Az. RO 5 K 03.2192, wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Die Revision begründen wir wie folgt: 1. Der Kläger wendet sich gegen die verkehrsrechtliche Anordnung einer Radwegbenutzungspflicht für einen baulich angelegten gemeinsamen Geh- und Radweg im außerörtlichen Stadtbereich Regensburg und deren Kundgabe durch Aufstellung des Zeichens 240 "Gemeinsamer Geh- und Radweg" (§ 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO in der bis 31.08.2009 geltenden Fassung [StVO a. F.]; § 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2 Abschnitt 5 StVO in der ab 01.09.2009 geltenden Fassung der 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften [StVO n. F.]). 2. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat das Begehren des Klägers für begründet erachtet. Er hat bei seiner rechtlichen Beurteilung der Radwegbenutzungspflicht vorausgesetzt, dass § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO Prüfungsmaßstab auch bei der Kennzeichnung von Radwegen nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO a. F. ist (Rn. 47 ff. der Entscheidung). 3. Für die Entscheidung des Revisionsgerichts ist die Rechtslage im Zeitpunkt seiner eigenen Entscheidung maßgeblich. Deshalb sind auch die Änderungen der StVO durch die 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften zu berücksichtigen, die mit Wirkung vom 01.09.2009 - und damit nach der Entscheidung des Berufungsgerichts - in Kraft getreten sind. Für die revisionsgerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer behördlichen Maßnahme wird auf die Rechtslage abgestellt, die auch für das Berufungsgericht maßgeblich wäre, wenn es zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung selbst (fiktiv) entscheiden würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.1982, 8 C 138/81, juris Rn. 9; Kopp/Schenke, VwGO, § 137 Rn. 2). Dieser allgemeine Grundsatz gilt auch für die Beurteilung von Dauerverwaltungsakten in Gestalt von verkehrsrechtlichen Anordnungen. Würde der Bayerische Verwaltungsgerichtshof jetzt über die gegenständliche Klage entscheiden, hätte er seiner Entscheidung die StVO in der seit 01.09.2009 geltenden Fassung der 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften zu Grunde zu legen. Der Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtslage bestimmt sich nach dem materiellen Recht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung verkehrsrechtlicher Anordnungen und deren verkehrszeichenmäßiger Kundgabe ist nicht derjenige der Verwaltungsentscheidung, sondern vielmehr derjenige der Entscheidung des (letzten) Tatsachengerichts (vgl. BVerwG, Urteile vom 27.01.1993, 11 C 35/92, juris Rn. 16, vom 14.12.1994, 11 C 25/93, juris Rn. 12; vom 21.01.1999, 3 C 9/98,juris Rn. 10; Eyermann-Schmidt, VwGO, § 113 Rn. 62). 4. Aufgrund der durch die 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften erfolgten Umformulierung des § 2 Abs. 4 S. 2 StVO sind nunmehr die am 13.12.2002 (außerörtlicher Abschnitt Graß-Leoprechting) und 11.06.2003 (außerörtlicher Abschnitt Leoprechting-Oberisling) verfügten verkehrsrechtlichen Anordnungen der Beklagten und deren Kundgabe durch Zeichen 240 am materiellen Maßstab des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO zu messen. § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO n. F. legt fest, dass eine Benutzungspflicht für Radwege in der jeweiligen Fahrtrichtung nur besteht, wenn Zeichen 237, 240 oder 241 angeordnet ist. Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO a. F. mussten Radfahrer Radwege benutzen, wenn die jeweilige Fahrtrichtung mit Zeichen 237, 240 oder 241 gekennzeichnet war. Diese Formulierung hätte auch die Deutung ermöglicht, dass die Schaffung einer Radwegbenutzungspflicht nach pflichtgemäßem Verwaltungsermessen in einer Art verkehrsrechtlicher "Widmung" der einzelnen Straßenbestandteile erfolgen kann, also losgelöst von einschränkenden straßenverkehrsrechtlichen Kriterien, weil im Zweifel die Trennung der verschiedenen Verkehrsarten immer die stets notwendige - größtmögliche Verkehrssicherheit schafft. Gemäß der Begründung zur 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BR-Drs. 153/09, II. 1. [Seite 87]) sollte die Änderung des § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO allerdings lediglich redaktionellen Charakter haben und der Klarstellung des Gewollten dienen. Gerade die Ausführungen in Rn. 51 des angefochtenen Urteils erwecken daran aber Zweifel. Die Frage ist von Bedeutung im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen unter Nr. 6 b. 5. Entgegen der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Rn. 47 ff.) ist der durch die 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften unverändert gebliebene § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO kein Prüfungsmaßstab für Maßnahmen nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO a. F. . Nur mit § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO a. F. setzt sich das am 11.08.2009 und damit vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung erlassene Urteil des Verwaltungsgerichtshofes auch erkennbar auseinander. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO ist aber auch kein Prüfungsmaßstab im Rahmen von Maßnahmen nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO n. F.. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO ist auf Radwegbenutzungspflichten schlechthin nicht anwendbar. Die Unanwendbarkeit folgt schon daraus, dass durch das im konkreten Fall gegenständliche Zeichen 240, aber auch durch die Zeichen 237 und 241, keine "Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs" im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 2 StVO kundgemacht werden. Verbote im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO sind Verkehrsverbote (Anlage 2 Abschnitt 6 StVO n. F., § 41 Abs. 2 Nr. 6 StVO a. F.), d.h. Verbote, die die Verkehrsteilnahme ganz oder teilweise untersagen. Ein solches Verbot stellt etwa das Zeichen 254 - Verbot für Radfahrer - dar. Beschränkungen im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO sind in der Terminologie des § 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO a. F. sog. "Streckenverbote", die nach der Legaldefinition in § 41 Abs. 2 Nr. 7 Satz 1 StVO a. F. den Verkehr auf bestimmten Strecken beschränken. In Anlage 2 StVO n. F werden diese Streckenverbote in der Überschrift zu Abschnitt 7 als "Geschwindigkeitsbeschränkungen und Überholverbote" bezeichnet. Die Zeichen 237, 240 und 241 kennzeichnen demgegenüber keine Beschränkungen oder Verbote, sondern vielmehr Sonderwege (Anlage 2 Abschnitt 5 StVO n. F.; § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO a. F.) für Radfahrer und damit das Gebot, diese zu benutzen. Die Zeichen dienen damit der Verkehrsführung. Soweit in der Anlage 2 Abschnitt 5 StVO n. F. in der Überschrift der Erläuterungen bei den Zeichen 237, 240 und 241 nicht nur von einem Gebot, sondern auch von einem Verbot die Rede ist und in der Erläuterung 1 jeweils ausgeführt wird, "Radfahrer dürfen nicht die Fahrbahn ... benutzen" handelt es sich bei diesem Verbot nur um eine mittelbare Folge des Gebotes, d.h. um einen mittelbaren Reflex der angeordneten Verkehrsführung. Diese (nur) mittelbare Folge erschießt sich auch deutlich aus § 41 Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 Buchst. a) StVO a. F., wonach Radfahrer bei Zeichen 237, 240 und 241 die für sie bestimmten Sonderwege benutzen mussten. Das reflexartige Verbot, die Fahrbahn benutzen zu dürfen, war auch hier lediglich mittelbare Folge der Radwegbenutzungspflicht. Anders als zum Beispiel bei Anordnung und Kundmachung des Zeichens 254 (Verbot für Radfahrer). wird dem Radverkehr in seine Fahrtrichtung die Straßenbenutzung bei Anordnung und Kundmachung des Zeichens 240 gerade nicht verboten und er in der Straßenbenutzung nicht beschränkt. Ihm wird vielmehr lediglich die Benutzung eines bestimmten Straßenteils, nämlich des gemeinsamen Geh- und Radwegs (anstelle der Fahrbahn) ~boten. Ermöglicht wird dieses Gebot durch eine Entscheidung des Straßenbaulastträgers, überhaupt für den außerörtlichen Radverkehr und den Fußgängerverkehr neben der Fahrbahn einen eigenen Straßenteil zu bauen. Der Radfahrer kann bei Anordnung und Kundmachung des Zeichens 240 sein Ziel auf die gleiche geografische Weise, nämlich über die gleiche Straße weiterhin erreichen. Es ist ihm möglich, die Straße nach wie vor in seiner Fahrtrichtung zu benutzen, allerdings auf einem eigenen, baulich angelegten und (u.a.) für den Radverkehr bestimmten gesonderten Straßenteil, nämlich dem gemeinsamen Geh- und Radweg. Auf diesen gemeinsamen Geh- und Radweg wird der Radfahrer im Sinne einer Verkehrsführung geleitet. Im Übrigen ließe sich auch in rein semantischer Betrachtung schon schließen, dass die Verlagerung einer Verkehrsart bzw. Zuweisung auf einen bestimmten Verkehrsweg schlechthin nicht unter das Tatbestandsmerkmal "Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs" zu subsumieren ist. Die nur mittelbare Folge des Gebots der Radwegebenutzung, d.h. das mittelbare Verbot für den Fahrradverkehr, die Fahrbahn zu benutzen, stellt damit kein Verbot und keine Beschränkung im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dar (Rebler, DAR 2010, 40; Bouska, NZV 2001, 320). Angesichts der Unanwendbarkeit des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO ist damit für die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht nicht Voraussetzung das Bestehen einer Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der Rechtsgüter der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs erheblich übersteigt. Insoweit ist für die Anordnung der Radwegebenutzungspflicht insbesondere nicht Voraussetzung, dass alsbald mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermehrt Schadensfälle eintreten würden, wenn die Straßenverkehrsbehörde von der Anordnung absehen würde (zur qualifizierten Gefahrenlage vgl. BVerwG vom 04.07.2007, 3 B 79/06, Rn. 7 nach juris). Derartige Anordnungen sind vielmehr am Maßstab des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO zu messen, d.h. sie sind möglich, wenn dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. 6. Die im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens getroffenen verkehrsrechtlichen Anordnungen der Beklagten vom 13.12.2002 und 11.06.2003 halten einer Prüfung am Maßstab des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO stand. a. "Zwingend geboten" im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO ist eine verkehrsrechtliche Anordnung schon dann, wenn die allen Verkehrsteilnehmern obliegende Verpflichtung, die allgemeinen und besonderen Verhaltensvorschriften der StVO eigenverantwortlich zu beachten, nicht ausreicht, um ein bestimmtes Verhalten herbeizuführen. Diese restriktive Interpretation des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO, der durch die 24. Verordnung zur Änderung straßenrechtlicher Vorschriften mit Wirkung zum 01.09.1997 in die StVO eingefügt worden ist, entspricht dem Willen des seinerzeitigen Normgebers. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO geht dabei - ebenso wie § 39 Abs. 1 Satz 1 StVO - auf eine Initiative des Bundesrates zurück. In der Begründung zu dieser Initiative wird bezüglich § 39 angeführt: "Der neue Absatz 1 zu § 39 .... verdeutlicht den Verkehrsteilnehmern die vorrangige Bedeutung der allgemeinen und besonderen Verhaltensvorschriften und daraus folgend die Subsidiarität der Verkehrszeichenanordnung. Zugleich verweist er auf die Verpflichtung der Kraftfahrer zum eigenverantwortlichen Verhalten im Straßenverkehr" (BR-Drs 374/97 [Beschluss]; siehe VkBI. 1997, 689). Bezüglich § 45 Abs. 9 heißt es: "Neben der Änderung des § 39 bedarf es auch einer korrespondierenden Ergänzung des § 45 durch einen neuen Absatz 9. Auf die Begründung zu § 39 Abs. 1 und § 43 Abs. 1 Satz 2 (neu) wird verwiesen. Während die genannten Normen an die Verkehrsteilnehmer adressiert sind, verpflichtet der neue Absatz 9 von § 45 StVO die zuständigen Behörden, bei der Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen restriktiv zu verfahren und stets nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob die vorgesehene Regelung durch Verkehrszeichen und/oder Verkehrseinrichtungen deshalb zwingend erforderlich ist, weil die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Verordnung für einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf nicht ausreichen" (BR-Drs 374/97 [Beschluss]; siehe VkBI. 1997, 690)." Aus dem letzten Satz der eben zitierten Begründung des Bundesrates erschließt sich, dass die Regelungsbefugnis nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO schon immer dann eröffnet sein soll, wenn "die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Verordnung für einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf nicht ausreichen". Eine solchermaßen erforderliche Regelung ist dann immer auch im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO "zwingend geboten". Hierbei ist offensichtlich, dass die "allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der StVO" für Maßnahmen der örtlichen Verkehrsführung keine Aussage treffen können und diesbezüglich auch die Eigenverantwortlichkeit (vgl. dazu § 39 Abs. 1 StVO) des Verkehrsteilnehmers ins Leere gehen muss. Sollen Maßnahmen der örtlichen Verkehrsführung getroffen werden, ist deshalb die Anordnung der Verlautbarung durch Verkehrszeichen im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 am Ende StVO auch "zwingend geboten". b. Eingriffsschwelle für die Anordnung einer Verkehrsführung in Gestalt einer Radwegbenutzungspflicht sind damit (lediglich) die "besonderen Umstände" im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO. Diese werden durch die örtlichen Verhältnisse gekennzeichnet. Wir halten es im Rahmen der Revision für diskussionswürdig, ob es nicht pflichtgemäßer Ermessensausübung (im Sinne eines intendierten Ermessens) entsprechen kann, Radfahrer allein deshalb auf einen Radweg zu verweisen, weil ein solcher tatsächlich vorhanden ist, die baulichen Voraussetzungen nach der Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO (in der Fassung vom 17.07.2009, in Kraft ab 01.09.2009) erfüllt sind und keine im Einzelfall ungewöhnlich niedrige Gefahrenschwelle besteht. Es bedarf keiner besonderen Darlegung oder Begründung, dass Radfahrer besonders gering geschützte Verkehrsteilnehmer sind. Die zahlreichen Unfälle mit schwerwiegenden Folgen, insbesondere Abbiegeunfälle mit Todesfolge belegen dies. Eine Entflechtung von Auto- und Fahrradverkehr ist daher im Regelfall "zwingend geboten". So zeigt z. B. § 5 Abs. 4 S. 2 StVO, der im Ergebnis einen Seitenabstand von 1,5 Meter beim Überholen eines Radfahrers durch ein Kraftfahrzeug voraussetzt, dass die gleichzeitige Wegebenutzung (a) für den Radfahrer gefährlich und (b) bezogen auf den Fahrzeugverkehr hinderlich ist, d. h. dessen Sicherheit und Leichtigkeit beeinträchtigt. Regelmäßig werden daher im Falle einer Vermischung von Kraftfahrzeug und Radfahrverkehr beschränkende Anordnungen für den Kraftfahrzeugverkehr erforderlich sein. Auch ergibt sich ein Wel1ungswiderspruch zwischen der Forderung nach einer erhöhten Verkehrssicherheit für Fahrradfahrer (z.B. Einführung einer Helmpflicht) bei gleichzeitiger Erhöhung der Gefährdung durch Benutzung der Kfz-Fahrwege. Nicht ohne Grund müssen Kinder sogar Gehwege benutzen (§ 2 Abs. 5 StVO). Im Übrigen wird auf die Begründung zur 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BR-Drs. 153/09) verwiesen - auch wenn der objektive Inhalt der Verordnung der Begründung nicht entsprechen muss. Die Begründung führt unter 1.3.b.) [Seite 84]) aus: "Sie (Anm.: benutzungspflichtige Radverkehrsanlagen) dürfen nur dort angeordnet werden, wo es die Verkehrssicherheit oder der Verkehrsablauf tatsächlich erfordert, innerorts z.B. an Vorfahrtsstraßen mit starkem Verkehrs". Weiter (Verordnungsbegründung Seite 85) heißt es: "Die Benutzungspflicht ist aber auf die Fälle zu beschränken, in denen es die Verkehrssicherheit oder der Verkehrsablauf tatsächlich zwingend erfordern. Diesem Gedanken wurde bereits durch die 33. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1690) Rechnung getragen, mit der die Anordnung benutzungspflichtiger Radwege in Tempo 3D-Zonen ausgeschlossen wurde. Hier bedarf es wegen der niedrigen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von vornherein keiner Trennung des Radverkehrs vom Kraftfahrzeugverkehr. Anders ist es hingegen generell auf Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von bis zu 100 km/h und auf Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) innerhalb geschlossener Ortschaften, auf denen Höchstgeschwindigkeiten von 50 km/h (teilweise 70 km/h) zulässig sind und das Verkehrsaufkommen überdurchschnittlich hoch ist. Erfahrungsgemäß steigt mit dem Verkehrsaufkommen und der Fahrgeschwindigkeit auch das Unfallrisiko. Hier bedürfen die schwächeren ungeschützten Radfahrerinnen und Radfahrer daher eines eigenen Verkehrsraumes, der im Interesse der Verkehrssicherheit nicht nur freiwillig, sondern zwingend zu benutzen ist." Korrespondierend hierzu führt die Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 Satz 2 Ziffer I.2. im Hinblick auf die benutzungspflichtigen Radwege aus: "Sie dürfen nur dort angeordnet werden, wo es die Verkehrssicherheit oder der Verkehrsablauf erfordern. Innerorts kann dies insbesondere für Vorfahrtsstraßen mit starkem Verkehrsaufkommen gelten". Die Formulierung der Verordnungsbegründung auf Seite 84 der BR-Drucksache sowie der Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 Satz 2 Ziffer 1.2 machen dabei deutlich, dass das Wort "zwingend" eingangs der vorzitierten Begründung auf Seite 85 der BR-Drs. keine eigenständige Bedeutung hat. Insofern wird das oben unter a.) gewonnene Ergebnis bestätigt. Die in der Gesetzesbegründung und in der Verwaltungsvorschrift erwähnten Beispiele unterstreichen die weite Anordnungsbefugnis der Straßenverkehrsbehörden. Die Verordnungsbegründung lässt erkennen, dass außerhalb geschlossener Ortschaften "generell" (Begründung Seite 85) und innerorts auf überdurchschnittlich belasteten Vorfahrtsstraßen eine Radwegbenutzungspflicht angeordnet werden kann. Der Verfasser der Verordnungsbegründung geht hier offensichtlich davon aus, dass in derartigen Fällen Sicherheit und Ordnung (Ablauf) des Verkehrs eine Führung des Radfahrverkehrs auf Radwegen rechtfertigen. Dass auch innerorts die Anforderungen im Hinblick auf die Belastung der Vorfahrtstraßen nicht zu hoch angesetzt werden dürfen, belegt im Übrigen gerade der Gegenschluss aus § 45 Abs. 1 c Satz 3 StVO, wonach sog. Tempo-30-Zonen keine benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241) einschließen dürfen. Im Übrigen ist schon für die Ausweisung einer Straße als Vorfahrstraße die Verkehrsbelastung ein wesentliches Kriterium (vgl. VwV zu § 8 Ziffer 6.), sodass auch auf innerörtliche Vorfahrstraßen die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht den absoluten Regelfall darstellen wird. Die streitgegenständlichen Anordnungen beziehen sich auf Straßenabschnitte außerhalb der geschlossenen Ortslage. Nach dem Vorgesagten sind sie im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung jedenfalls gerechtfertigt. ---xxx--- Oberlandesanwalt