[Absender:] Regierung der Oberpfalz, 93039 Regensburg 24.09.2003 Vollzug der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) Widerspruch des Herrn Dr. Klaus Wörle, Hofweg 32, 93053 Regensburg, gegen die Anordnung von Radwegbenutzungspflichten durch die Stadt Regensburg zwischen den Stadtteilen Graß und Leoprechting und Leoprechting und Oberisling Anlage 1 Kostenrechnung mit Zahlkarte Die Regierung der Oberpfalz erlässt folgenden Widerspruchsbescheid: I. Der Widerspruch wird zurückgewiesen. II. Der Widerspruchsführer hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr von 40,- Euro festgesetzt. Auslagen werden gesondert erhoben. Gründe: I. 1. Die Stadt Regensburg hat im Jahr 1987 zwischen den Ortsteilen Leoprechting und Oberisling entlang der Liebhartstraße und Rauberstraße auf einer Länge von ca. 730 m einen straßenbegleitenden Geh- und Radweg angelegt. Der Weg hat eine Breite von 2 m. Am 08.09.1987 hat die Stadt Regensburg durch Aufstellung des Zeichens 240 StVO (Gemeinsamer Fuß- und Radweg) gem. 2 Abs. 4 Satz 2 StVO eine beidseitige Benutzung des Gehweges durch Radfahrer vorgeschrieben. 2. In den Jahren 2001/2002 hat die Stadt Regensburg diesen Weg nach Graß weitergeführt und um ca. 520 m verlängert. Auf diesem Teilstück hat der Weg eine Breite von 2,50 m. Die verkehrsrechtliche Anordnung zur Aufstellung des Z 240 erging am 13.12.2002. 3. Mit Schreiben vom 08.01.2003, eingegangen bei der Stadt Regensburg am 09.01.2003, erhob Herr Dr. Klaus Wörle, Hofweg 32, 93053 Regensburg (im Folgender Widerspruchsführer - Wf. - genannt) gegen die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht Widerspruch. Der Widerspruch wurde mit Schreiben vom 01.07.2003 an die Regierung der Oberpfalz weiter präzisiert. Als Begründung für seinen Widerspruch führt Herr Dr. Wörle im Wesentlichen an, die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht verstoße gegen § 45 Abs. 9 StVO und verletze den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Es seien keine Umstände erkennbar, die eine Benutzung des Radweges aus verkehrs- rechtlicher Sicht zwingend erfordern würden. Die Liebhartstraße/Rauberstraße diene nur der Verbindung peripherer Stadtteile und weise nur geringe Verkehrs- belastung auf. Die Benutzung des Radweges verspreche auch keinen Sicherheitsgewinn, da sich Fußgänger und Radfahrer eine zum Teil recht schmale Fahrbahn teilen müssten. Im EinmÜndungsbereich der Lieperkingstraße in die Liebhartstraße könnten abbiegende Kfz wegen des vorhandenen Bewuchses die Radfahrer nicht rechtzeitig erkennen und würden deshalb regelmäßig deren Vorfahrtsrecht missachten. Der Ortsbereich von Oberisling sei als Tempo 30-Zone angewiesen, was an sich schon die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht ausschließe. Mit Schreiben vom 11.06.2003 teilte die Stadt dem Wf. im Wesentlichen mit, der Geh- und Radweg zwischen Graß und Leoprechting bzw. Leoprechting und Oberisling sei gebaut worden, da die Stadt eine Mischung des motorisierten und des nicht- motorisierten Verkehrs wegen der geringen Straßenbreite von 5,50 m nicht mehr als verkehrssicher angesehen habe. Die Fahrbahn sei nicht beleuchtet, dem gegen- über sorge die entlang des Fuß- und Radweges vorhandene Beleuchtung für zusätz- liche Sicherheit. Auf dem Weg sei nur mit geringem Fußgängerverkehr zu rechnen, so dass eine gemeinsame Benutzung durch Fußgänger und Radfahrer möglich sei. An der Einmündung der Lieperkingstraße in die Liebhartstraße seien ausreichende Sichtflächen vorhanden. Auf die Gefahr durch kreuzende Radfahrer werde mit Z 138 ("Radfahrer kreuzen") hingewiesen. Die Radfahrer würden durch die Radwegbenutzungs- pflicht nicht unangemessen benachteiligt, da eventuelle geringfÜgige Zeitverluste durch den Sicherheitsgewinn ausgeglichen würden. Die Richtwerte für die Wegbreite konnten unterschritten werden, da die Frequentierung durch Radfahrer und Fußgänger gering und der Weg sehr übersichtlich sei. 5. Da der Wf. seinen Widerspruch bis 30.06.2003 nicht zurückgenommen hatte, legte ihn die Stadt Regensburg mit Schreiben vom 16.07.2003 der Regierung der Oberpfalz zur Entscheidung vor. 6. Auf Anfrage der Regierung hat die Stadt zwischenzeitlich mitgeteilt, dass zwischen Graß und Oberisling täglich ca. 3.000 Kfz fahren. Die Strecke ist auch in den Fahr- plan einer öffentlichen Buslinie eingebunden. Die Geschwindigkeit auf der Strecke ist auf 60 km/h beschränkt. Im Bereich der Einmündung der Lieperkingstraße wurde mittlerweile (08.09.2003) eine Radfahrerfurt markiert. II. 1. Die Regierung der Oberpfalz ist zur Entscheidung über den Widerspruch sachlich und örtlich zuständig (§ 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO; Art. 2 Nr. 3 ZustGVerk). 2. Der Widerspruch ist zulässig. Herr Dr. Wörle ist insbesondere widerspruchsbefugt. Grundsätzlich ist davon auszu- gehen, dass ein Verkehrsteilnehmer zumindest dann i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO von einer verkehrsregelnden Anordnung in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Bewegungs- freiheit beeinträchtigt werden kann, wenn er mit einer gewissen Regelmäßigkeit mit dem Verkehrszeichen konfrontiert wird (OVG Hamburg NZV 2003, 351 f.) Der Wf. ist Bewohner des Ortsteiles Graß und somit gezwungen, für Radfahrten nach Leoprechting oder Oberisling den Radweg in Anspruch zu nehmen. 3. Der Widerspruch ist jedoch nicht begründet, da die Stadt Regensburg die Benutzung des Radweges durch Z 240 zu Recht verbindlich vorgeschrieben hat. 3.1 Rechtsgrundlage für die Aufstellung von Verkehrszeichen ist § 45 Abs. 1 StVO. Nach dieser Vorschrift können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten. Zu einer derartigen Beschränkung des Verkehrs gehört auch die Anordnung einer Radwegbenutzungspflicht. Denn nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO müssen Radfahrer die Radwege nur benutzen, wenn dies durch die Aufstellung des Zeichens 237, 240 oder 241 vorgeschrieben ist. Gem. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO ist über das allgemeine Vorliegen einer konkreten Gefahr hinaus für die Aufstellung eines Verkehrszeichens erforderlich, dass die Regelung aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dürfen Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs - darunter fällt auch die Anordnung einer Radwegbenutzungspflicht (vgl. VG Hamburg, VkBI. 2002, 134 ff.) - nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der durch die StVO geschützten Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Eigentum) erheblich übersteigt. Darüber hinaus hat die Behörde bei der Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht auf einem gemeinsamen Fuß- und Radweg die sich aus RN 14 ff. VwV zu § 2 StVO und RN 1 ff. VwV zu Z 240 ergebenden Anforderungen zu beachten. 3.1.1 Die von § 45 StVO geforderte Gefahrensituation liegt vor. Bei der Liebhartstraße und der Rauberstraße handelt es sich um einen Straßenzug, der der Verbindung der Stadtteile Graß, Leoprechting und Oberisling und der Anbindung dieser Orte an das überregionale Straßennetz dient. Zwar wurde sicher durch den Bau der Franz-Josef-Strauß-Allee der größte Teil des Verkehrs, der die Strecke eventuell als "Schleichweg" hätte in Anspruch nehmen können, verlagert. Nach wie vor wird die Straße aber von 3.000 Kfz/Tag benutzt; weiterhin ist die Strecke Teil der Linie 3 des regelmäßig verkehrenden Stadtbusses. Diese Verkehrszahlen allein rechtfertigen zwar noch nicht die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht. Die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 95) sehen als Einsatzgrenze für Mischverkehr auf der Fahrbahn eine Verkehrsstärke von 10.000 Kfz/Tag vor, allerdings nur soweit die zulässige Höchstgeschwindigkeit weniger als 60 km/h beträgt. Bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h - wie sie auf dem fraglichen Straßenzug angeordnet ist - oder mehr empfiehlt auch die ERA 95 die Anwendung des Trennungsprinzips (Radfahrstreifen oder Radwege ). Ausschlaggebend für die Notwendigkeit der getrennten Führung von motorisiertem Verkehr und Radfahrern ist im vorliegenden Fall jedoch die geringe Breite der Liebhartstraße und der Rauberstraße. Eine Straßenbreite von 5,50 m entspricht dem niedrigsten Regelquerschnitt anbaufreier einbahniger Straßen nach RAS-Q. Unter Zugrundelegung der standardisierten Breiten von Bemessungsfahrzeugen und eines jeweiligen Seitenabstandes von 1 m ergäben sich beim Überholen folgende Situationen: a) Gegenverkehr Pkw-Pkw mit Überholen eines Rades: Pkw l,75 m + Seitenabstand 1 m + Pkw l,75 m + Seitenabstand 1 m + Radfahrer 0,60 m = 6,10 m b) Gegenverkehr Pkw-Lieferwagen mit Überholen eines Rades: Pkw l,75 m + Seitenabstand 1 m + Lieferwagen 2,10 m + Seitenabstand 1 m + Radfahrer 0,60 m = 6,45 m c) Gegenverkehr PkW-breit - PkW-breit mit Überholen eines Rades: Pkw 2,00 m + Seitenabstand 1 m + Pkw 2,00 m + Seitenabstand 1 m + Radfahrer 0,60 m = 6,60 m d) Gegenverkehr Pkw-Bus: Pkw l,75 m + Seitenabstand 1 m + Bus 2,00 m = 4,75 m Die Berechnung zeigt, dass bereits zwei Pkw nicht mehr gefahrlos aneinander vorbei fahren könnten, wenn ein Radfahrer auf der Straße fährt; der sich hinter dem Radfahrer befindende Autofahrer müsste abbremsen, bis das Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn vorbeigezogen wäre. In Anbetracht des doch nicht unerheblichen Kfz-Aufkommens auf dem fraglichen Straßenteilstück könnte es zu einer Vielzahl von gefährlichen Situationen kommen, wobei es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwGE 59, 221 ff.) nicht notwendig ist, dass jederzeit während der Aufstellung des Verkehrszeichens mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist; es genügt, dass irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hin- reichender Wahrscheinlichkeit Unfälle passieren können. 3.1.2 Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 StVO vor, entspricht es in der Regel einer pflichtgemäßen Ermessensausübung, verkehrssichernde Maßnahmen zu treffen (BVerwG vom 13.12.1974, VkB11975, 351/352). Die wegen der besonderen örtlichen Situation (geringe Straßenbreite, nicht unerhebliches Verkehrsaufkommen) bestehende Gefahrenlage macht vorliegend eine Beschränkung des fließenden Verkehrs notwendig (§ 45 Abs. 9 StVO).Bei der Auswahl der Mittel sind die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beachten. Die Straßenverkehrsbehörde könnte gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen haben, wenn sie die Vorgaben der VwV-StVO missachtete hätte, denn die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht für einen nicht den sicherheitstechnischen Anforderungen entsprechenden Weg wäre keine geeignete Maßnahme, um Gefahren von den Verkehrsteil- nehmern abzuwenden. Die Vorgaben der VwV wurden von der Stadt Regensburg jedoch beachtet. Zwar sieht RN 37 VwV zu § 2 StVO für eine Freigabe linker Radwege regelmäßig eine Breite von 2,40 m vor; diese Breite wird hier nur zwischen Graß und Leoprechting erreicht bzw. überschritten. Die VwV lassen aber als untere Grenze auch eine Breite von 2,00 m zu. Dieses Maß wird nirgends unterschritten. Unproblematisch ist vorliegend auch die gemeinsame Führung von Radfahrern und Fußgängern. Ein gemeinsamer Geh- und Radweg auf einer Fahrbahnseite wird an außer- örtlichen Straßen sogar zum Teil als Reqellösunq bezeichnet (Technische Universität Dresden, Lehrstuhl für Gestaltung von Straßenverkehrsanlagen; Grundlagen des Straßen- entwurfes, Abschnitt 4: Stand 2002). Einem gemeinsamen Geh- und Radweg dürfte jeden- falls dann nichts entgegen stehen, wenn der zu erwartende Verkehr relativ schwach ist. Auf dem Geh- und Radweg zwischen Graß und Leoprechting ist zumindest mit einer geringen Anzahl von Fußgängern zu rechnen. Die Strecke ist gerade und überschaubar, eine Beleuchtung ist vorhanden. Eventuelle Konflikte zwischen Radfahrern und Fuß- gängern dürften eher selten sein und im Vergleich zu den Gefahren, die den Rad- fahrern auf der Straße drohen, das geringere "Übel" darstellen. Im Bereich der Einmündung der Lieperkingstraße sind die Sichtflächen ausreichend dimensioniert. In Übereinstimmung mit RN 38 VwV zu § 2 StVO wird auf die Radfahrer durch Z 138 (Radfahrer kreuzen) hingewiesen. Zur weiteren Erhöhung der Sicherheit hat die Stadt Regensburg mittlerweile auch eine Radfahrerfurt zur Verdeutlichung der Wartepflicht der abbiegenden Kraftfahrer markiert (vgl. Nr. 4.3.3 Abs. 3 letzter Absatz der ERA 95). Die Anordnung einer Radwegbenutzungspflicht ist somit das einzige Mittel, um die Verkehrssicherheit im fraglichen Bereich zu verbessern. Der Radweg entspricht auch den sicherheitstechnischen Erfordernissen. Die Verpflichtung, auf dem Radweg fahren zu müssen, ist gleichfalls zumutbar. Den relativ geringen Einschränkungen für die Radfahrer steht ein erheblicher Sicherheitsgewinn gegenüber. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist damit nicht erkennbar. 3.2 Dem Einwand, im Ortsbereich von Oberisling reiche der benutzungspflichtige Radweg bis in eine Tempo 30-Zone hinein, braucht nicht näher nachgegangen zu werden, da er dem Widerspruch nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag. Es ist zwar zutreffend, dass nach § 45 Abs. 1c Satz 3 StVO die Tempo 30-Zone keine mit Z 237, 240 oder 241 gekennzeichneten Radwege umfassen darf. Das betrifft aber nur die Rechtmäßigkeit der Zonengebietsausweisung und nicht die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht. III. Die Kostenentscheidung für diesen Bescheid beruht auf Art. 80 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG. Die Entscheidung über die Gebühr stützt sich auf § 6a StVG i. V.m. §§ 1, 3 und 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOst und Gebühren-Nr. 400 des Gebührentarifs (GebTSt). Die Erhebung von Auslagen stützt sich auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt. Rechtsbehelfsbelehrung Gegen die mit verkehrsrechtlichen Anordnungen der Stadt Regensburg vom 08.09.1987 und 13.12.2002 erlassenen Verwaltungsakte kann innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheids Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht in Regensburg, Haidplatz 11 93047 Regensburg schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts erhoben werden. Die Klage muss den Kläger, die Beklagte (St. Regensburg) und den Streitgegenstand bezeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, der angefochtene Bescheid soll in Urschrift oder in Abschrift beigefügt werden. Der Klage und allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. ---xxx---